Tafel 8 | Bonner Republik: Flächendeckende Überwachung von Post und Telefon

Artikel 10 des Grundgesetzes
(ursprüngliche Fassung)

„Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden.“

Originalfassung des Gesetz zur Beschränkung des Brief,- Post und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz (G 10): Bundesgesetzblatt, ausgegeben am 15. August 1968, Teil 1

auf www1.bgbl.de 68s094 Z 1997 A, Nr. 57, S. 949

Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 grundgesetz) vom 13. August 1968

Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum „Abhörgesetz“ von 1970

„ (…) Die zunehmende Neigung der Richtermehrheit, selbst gesetzgeberische Überlegungen anzustellen und sie dann in die Tat umzusetzen, hat gelegentlich auch dazu geführt, daß dubiose Gesetze unter dem Gesichtspunkt der vermeintlichen Staatsnotwendigkeit in Karlsruhe mit Gründen bestätigt wurden, die Sorge um das Verfassungsverständnis der Verfassungshüter aufkommen ließ.

So heißt es im Urteil vom 15. Dezember 1970 zum Abhörgesetz, bei der es um die Frage ging, ob der Gesetzgeber elementare Prinzipien wie das Post- und Telefongeheimnis antasten dürfe: `Grundsätze werden als Grundsätze von vornherein nicht berührt, wenn ihnen im allgemeinen Rechnung getragen wird und sie nur für eine Sonderlage entsprechend der Eigenart aus evident sachgerechten Gründen modifiziert werden.`

Die These hat Ermächtigungscharakter. Als sie formuliert wurde, bemerkten dies zunächst nur drei Richter aus dem Senat: Geller, von Schlabrendorff und Rupp. Sie schrieben, wenn man erst Telephon- und Postüberwachung unter Ausschluss des Rechtsweges zulasse, sei es nicht mehr weit zum heimlichen Anbringen von Geheimmikrophonen in fremden Wohnungen. Die Wanzen des Verfassungsschutzes und des Militärischen Abschirmdienstes haben die Sorgen der Minderheit der Richter eklatant bestätigt. (…)“

Aus: Die Zeit, Die Konterkapitäne von Karlsruhe, www. zeit.de /1978/09, aufgerufen am 28. Oktober 2016


Eine lesenswerte Einschätzung der Wirkung und Folgen des Urteils zum Abhörgesetz von 1970 findet sich auch auf www.datenschutzzentrum.de, 1998
Großer Lauschangriff – Teil 2.2 | Orwell steht wieder auf der Tagesordnung | Auszug aus dem 20. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Schleswig-Holstein, 1998
aufger. am 28. Oktober 2016

„Im Jahre 1970 hatte das Bundesverfassungsgericht über die im Zuge der Notstandsgesetze neu eingeführten Bestimmungen zum Abhören von Telefonen zu entscheiden. Mit der knappen Mehrheit von nur einer Stimme ließ das Gericht die Gesetze passieren. In der Begründung der unterlegenen Richter findet sich folgender Satz, `ob der mit der Verfassungsänderung vollzogene erste Schritt auf dem bequemen Weg der Lockerung der bestehenden Bindungen nicht Folgen nach sich zieht, vermag niemand vorherzusehen.` Rückblickend zeigt sich tatsächlich, daß, nachdem der Damm einmal gebrochen war, die staatlichen Abhörmöglichkeiten kontinuierlich erweitert und von Jahr zu Jahr stärker in Anspruch genommen. Hier die Fakten: Seit dem Urteil ist der Katalog der Straftaten, bei deren Aufklärung Telefone abgehört werden dürfen 16mal erweitert worden und umfaßt jetzt über 20 neue Tatbestände gegenüber der Ursprungsfassung …“   

2001 wurden die Tatbestände und Abhörbefugnisse  im Zuge der sogenannten Anti-Terrorbekämpfung erneut erweitert. Der Datenaustausch über abgefangene Telefongespräche und Nachrichten zwischen europäischen und bundesdeutschen Nachrichtendiensten und den USA in einer Verwaltungsvereinbarung geregelt.